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9 Überprüfung des Reibmodells anhand der Versuchsergebnisse

Die aus den Wirkmechanismen der Topografie in Kapitel 5 abgeleiteten Anforderungen an Topografien werden durch die Versuchsergebnisse bestätigt und ergänzt.

1. Hohe Spitzen.
In Kapitel 5 wurden hohe Spitzen günstig beurteilt, da sie durch hohe zu verdrängende Schmierstoffvolumina hohe hydrodynamische Anteile durch Quetschströmungen ermöglichen. Mit der Kenngröße Spk (Rpk nach DIN ISO 13565-2) ist in den Bildern 65 und 66 ein Trend zu erkennen, daß höhere Spitzen sowohl zu höheren maximalen Kontaktnormalspannungen als auch zu niedrigeren Reibungszahlen führen. Bei niedrigen Spitzen werden deutlich unterschiedliche tribologische Eigenschaften gemessen, die nicht durch die Höhe der Spitzen erklärt werden können. Nach den Überlegungen in Kapitel 5 begünstigen niedrige Spitzen hydrostatisch wirkende Schmiertaschen sowie hydrodynamisch wirkende Flanken und Stufen. Bei hohen Spitzen dominiert demnach der Einfluß der Quetschströmungen, bei niedrigen Spitzen dominieren die Einflüsse von Schmiertaschen, Stufen und Flanken. Die höchsten Kontaktnormalspannungen und niedrigsten Reibungszahlen wurden an den Blechen mit niedrigen Spitzen gemessen. Der Vergleich der Oberflächenkenngrößen in Kap 8.1 hat eine deutliche Korrelation zwischen der Spitzenhöhe und dem Leervolumen der Topografie sowie der 2D-Kenngröße Rpm ergeben. Daß hohe Spitzen zu günstigem tribologischen Verhalten führen können, entspricht demnach den Ergebnissen in der Literatur, in denen hohe Rpm-Werte als reibungssenkend ermittelt wurden.

2. Schmale Spitzen
Um sowohl die Drücke durch Quetschströmungen als auch durch Flanken, Stufen und abgeschlossene Schmiertaschen nutzen zu können, wurden hohe, aber leicht einglättende Spitzen als günstig angesehen. Dazu sollten die Materialanteile der Spitzen an der Basis gering sein. Der Materialanteil der Spitzen am Übergang zum Kernprofil wird nach DIN ISO 13565-2 mit der Oberflächenkenngröße Mr1 (=Sr1) beschrieben. In den Versuchen wurden mit Sr1 die höchsten Korrelationskoeffizienten zum tribologischen Verhalten ermittelt. Niedrige Sr1 führen nach Bild 59 zu stärkerem Absinken der Reibungszahl mit zunehmender Gleitgeschwindigkeit, was nur durch hydrodynamische Effekte erklärbar ist. Niedrige Sr1 begünstigen demnach die Ausbildung hydrodynamischer Effekte. Nach dem Reibmodell ermöglichen es dünne Spitzen, daß die Topografie weiter einglättet als bei großen Spitzen mit hohem Materialanteil. Dadurch entstehen schmalere Schmierspalte, in denen nach den Bildern 17 und 19 höhere hydrodynamische Drücke entstehen können.

3. Flacher Kernbereich
Zusätzlich zu leicht einglättenden Spitzen wurde ein flacher Kernbereich als reibungssenkend beurteilt, da um über einen großen Flächenanteil mit flachen Winkeln und Stufen für hydrodynamische Effekte zu verfügen. Die Höhe des Kernprofils wird Nach DIN 13565-2 mit der Kenngröße Rk (Sk) beschrieben. Die höchsten Korrelationskoeffizienten zur maximalen Kontaktnormalspannung ließen sich in den Versuchen mit dieser Kenngröße feststellen. Niedrige Sk führen nach Bild 61 und dem Reibmodell entsprechend zu höheren maximalen Kontaktnormalspannungen. Der unter Punkt 2 beschriebene Einfluß niedriger Materialflächenanteile Sr1 verstärkt die Wirkung des flachen Kernbereichs, da er durch die hohe Einglättung dünne Schmierspalte ermöglicht.

4. Mindestleervolumen
Im tieferliegenden Bereich der Topografie wurde ein großes Leervolumen, das bei starker Einglättung als Schmierstoffreserve dienen kann, positiv beurteilt. Bei den Versuchen versagte das Blech mit dem niedrigsten geschlossenen Leervolumen Vcl und dem niedrigsten Mittenrauhwert Ra durch Aufschweißungen auf dem Werkzeug. Trotz der niedrigen Reibungszahlen dieses Bleches, der leicht einglättenden Spitzen und der niedrigen Sk-Werte wurden keine hohen Kontaktnormalspannungen erreicht, was durch die fehlende Schmierstoffreserve erklärbar ist.

5. Hoher geschlossener Leerflächenanteil
Bei hohen Werten der Oberflächenkenngröße aclm stehen große Flächenanteile zur Verfügung, in denen hydrostatischer Druck aufgebaut werden kann. Bleche mit höheren Werten von aclm führen nach den Überlegungen in Kap 5 zu günstigerem tribologischem Verhalten. Für die Bleche, die nicht bereits durch niedrige Sk und Sr1-Werte günstigere tribologische Ergebnisse erzielen oder durch zu geringes Leervolumen und Unterschiede von Blech-Ober- und Unterseite ausscheiden, kann die Wirkung der hydrostatischen Schmiertaschen bestätigt werden (Bild 67).

6. Hohe Abgeschlossenheit
Um bereits bei geringer Einglättung abgeschlossene Schmiertaschen auszubilden, soll die Oberfläche möglichst weit oben abgeschlossen sein. Mit den Oberflächenkenngrößen zur Beschreibung der Tiefe, ab der die Oberfläche abgeschlossen ist (cclm, p) wurden keine deutlichen Korrelationen zum tribologischen Verhalten festgestellt. Hohe Korrelationskoeffizienten sind mit diesen Kenngrößen zu den Spitzenhöhen Spk und Spk* vorhanden (Bild 47). Für beliebige Oberflächen kann dieser Zusammenhang, wie in Kapitel 2.5.3 dargestellt, nicht allgemeingültig sein. Die zur Zeit zur Verfügung stehenden Herstellungsverfahren ermöglichen es demnach nicht, die Spitzenhöhe und die Tiefe, ab der die Oberfläche abgeschlossen ist, unabhängig zu variieren. Der Einfluß von cclm und p kann in den Versuchsergebnissen nicht nachgewiesen werden, da er nicht vom Einfluß der Spitzenhöhe zu unterscheiden ist. Stünden Herstellungsverfahren zur Verfügung, mit denen Spitzenhöhe und Abgeschlossenheit unabhängig voneinander eingestellt werden können, dann wäre zu erwarten, daß bei hohen Spitzen und hoher Abgeschlossenheit dieser Effekt nutzbar wäre.

7. Feine Topografie
Um das Herausfließen des Schmierstoffs aus dem Schmierspalt zu bremsen, wurden feine Topografien als günstig angesehen. Eine deutliche Korrelation wurde zwischen der Anzahl der Materialflächen bei Durchdringung des Kugelfilters Nma(k) und der Standardabweichung der Reibungszahl berechnet. Bei niedrigen Gleitgeschwindigkeiten kann der Schmierstoff langsam aus der Kontaktzone entweichen, ohne reibungssenkende Drücke aufzubauen (Grenzreibung). Bei höheren Gleitgeschwindigkeiten (Mischreibung) steht dem Schmierstoff weniger Zeit zur Verfügung und es entstehen höhere Drücke infolge von Quetschströmungen. Viele fein verteilte Spitzen bremsen den Schmierstoff dabei stärker als wenige große. Hohe Anzahlen von Materialflächen führen damit zu höheren Drücken und deutlicherem Absinken der Reibungszahl mit zunehmender Gleitgeschwindigkeit.

8. Feine Topografie mit vielen Tälern
Eine Topografie mit vielen Tälern stellt nach den Überlegungen zum Reibmodell viele Stufen und Flanken zur Verfügung, an denen hydrodynamische Effekte wirken können. In den Versuchen wurde festgestellt, daß eine Topografie mit einer hohen Anzahl Leerflächen bei Perkolationstiefe eher hohe Kontaktnormalspannungen erreicht, als eine Topografie mit wenigen Leerflächen.

Folgerungen

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