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6.1.2 Voruntersuchungen an einem Realteil und einem rotationssymmetrischen Napf

Im vorherigen Kapitel wurde der Streifenziehversuch in der Flachbahn zur Beurteilung der tribologischen Eigenschaften von Blechtopografien ausgewählt. Es wird nun überprüft, ob sich die Ergebnisse des Streifenziehversuchs auf das Ziehergebnis eines rotationssymmetrischen Napfes und eines in einer früheren Arbeit des Autors [77] untersuchten realen Ziehteils (Pedaltopf) übertragen lassen.
Diese Bauteile wurden gewählt, da aufgrund vorangegangener Untersuchungen bekannt war, daß sie durch zu hohe Reibung unter dem Niederhalter versagen. Stimmen die Ergebnisse mit dem Streifenziehversuch überein, dann wird davon ausgegangen, daß der Streifenziehversuch die tribologischen Bedingungen in den für das Bauteilversagen entscheidenden Bereichen korrekt abbildet und daß die im Streifenziehversuch gemessenen tribologischen Mechanismen auch in den Realteilen wirken. Korrelieren die Ergebnisse des Streifenziehversuchs mit denen von Napf und Pedaltopf, dann kann man schließen, daß der vom Streifenziehversuch in der Flachbahn abgebildete Bereich unter dem Niederhalter für die Beurteilung des gesamten Ziehteils genutzt werden kann.
Wie im Kapitel 2 (Stand der Erkenntnisse) beschrieben, lassen sich die Topografien mit Prüfmethoden der Kategorien I bis IV nicht unabhängig von den mechanischen Eigenschaften des Blechwerkstoffs beurteilen. Für die Versuche mit Napf und Pedaltopf wurden deshalb nicht mehrere Blechwerkstoffe, sondern unterschiedliche Schmierstoffe auf dem gleichen Blechwerkstoff untersucht.
Für die Versuche mit dem rotationssymmetrischen Napf wurde ein relativ großer Stempeldurchmesser von 300 mm gewählt, um stabile Ergebnisse durch ein möglichst großes Verhältnis von Reibungskraft zur Umformkraft zu erreichen [192]. Die Versuchsbedingungen sind in Tabelle 32 im Anhang angegeben.

Aus den Ergebnissen der Pedaltopf-Versuche wurde ein Arbeitsdiagramm erstellt, in dem für unterschiedliche Platinengrößen die Flächenpressungen unter dem Niederhalter aufgetragen sind, ab denen entweder Falten oder Reißer auftraten (Bild 33).

Bild 33: Arbeitsdiagramm des Pedaltopfs bei Variation des Schmierstoffs

Die Schmierstoffe sind nach ihrer Viskosität numeriert. Schmierstoff 1 hat die höchste und Schmierstoff 5 die niedrigste Viskosität. Je höher die Viskosität, desto höhere Flächenpressungen können ohne Reißen des Bleches aufgebracht werden.
Die Faltengrenze ist weitgehend unabhängig vom Schmierstoff. Unterhalb einer Flächenpressung von ca. 3 N/mm² traten mit allen Schmierstoffen und für alle Ziehverhältnisse Falten auf.
Mit jedem Schmierstoff wurde ein rotationssymmetrischer Napf hergestellt und die Ziehtiefe bis zum Auftreten des ersten Reißers gemessen. Je tiefer der Napf ohne Reißen gezogen werden kann, desto günstiger ist das tribologische System zu beurteilen. Die eingestellte mittlere Flächenpressung unter dem Niederhalter betrug 4 N/mm².
In Bild 34 sind die Ergebnisse von Napf und Pedaltopf denen der Streifenziehversuche in der Flachbahn gegenübergestellt. Alle Daten wurden auf das Ergebnis des Schmierstoffs 1 bezogen. Die Reibungszahl aus dem Streifenziehversuch in der Flachbahn sollte für eine günstige Bewertung möglichst niedrig sein, die übrigen Größen möglichst hoch. Um die Übersichtlichkeit zu erhöhen, wurde in Bild 34 der Kehrwert der Reibungszahl dargestellt. Ein Schmierstoff ist demnach bei hohen Werten günstig zu beurteilen.

Bild 34: Vergleich der Ergebnisse von Streifenziehversuchen in der Flachbahn mit Ergebnissen komplexer Bauteile

Für die maximale Kontaktnormalspannung im Flachbahnversuch ergibt sich die gleiche Rangfolge der Schmierstoffe wie für den Napf und den Pedaltopf. Die Rangfolge der Reibungszahl weicht bei Schmierstoff 2 etwas ab. Nimmt man die Ergebnisse von Napf und Pedaltopf als Referenz, dann lassen sich Korrelationskoeffizienten der Ergebnisse des Flachbahnversuchs zu dieser Referenz berechnen. Das Bestimmtheitsmaß der Reibungszahl beträgt 0,89 und das der maximalen Kontaktnormalspannung 0,97. Beide Kenngrößen aus dem Flachbahnversuch korrelieren gut mit den Versuchsergebnissen des Napfes und des Pedaltopfs. Im Zweifelsfall sollte die maximale Kontaktnormalspannung der Reibungszahl vorgezogen werden, da diese etwas deutlicher mit dem Auftreten von Reißern in den untersuchten Bauteilen übereinstimmt.
Die Untersuchung zeigt, daß die Rangfolge der Schmierstoffe im Streifenziehversuch in der Flachbahn auf komplexere Bauteile übertragen werden kann. Im folgenden wird deshalb vorausgesetzt, daß der Streifenziehversuch die für das Bauteilversagen wesentlichen tribologischen Mechanismen abbildet.

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