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2.3 Untersuchungen zum Einfluß der Topografie auf die Reibung


Bild 4: Untersuchungen zum Einfluß der Topografie auf die Reibung

Schon Coulomb erklärt 1785 den Mechanismus der Reibung mit dem Verhaken der Rauheitsspitzen der Kontaktpartner [128, 129]. In der Blechumformung wurden Untersuchungen des Einflusses der Topografie 1960 von Fischer durchgeführt [130]. Seine Ergebnisse zeigen, daß die Topografie die tribologischen Bedingungen und das Ziehergebnis deutlich beeinflußt. Die Rauhtiefe Rt und der arithmetische Mittenrauhwert Ra allein sind nicht geeignet, diese Zusammenhänge allgemeingültig zu beschreiben. Erst die Auswertung der Materialanteilkurve zeigt, daß Bleche mit schlanken Spitzen zu besseren Ziehergebnissen führen. Fischer schreibt, daß ein für die spanlose Formgebung geeignetes Blech schlanke und gleichmäßig verteilte Spitzen aufweisen soll, die während des tribologischen Kontakts gut umgeformt werden können, so daß das Werkzeug verhältnismäßig tief in das Profil einsinkt.
Wiegand und Kloos beurteilen verschiedene Möglichkeiten, die Reibung in Umformvorgängen mit Modellversuchen zu messen. Sie weisen darauf hin, daß der zwischen den gleitenden Flächen eingeschlossene Schmierstoff unter Grenzreibungsbedingungen einen hydrostatischen Druck aufbauen kann und einen Teil der Normalkräfte trägt [108]. Als Kenngröße zur Beurteilung der Topografie nutzen sie wie auch Fischer den Traganteil bei einer festen Schnittiefe.
Fukui [131] untersucht die Einflüsse von Blech- und Werkzeugrauheit auf das maximale Ziehverhältnis eines rotationssymmetrischen Napfes. Sowohl für die Rauheit des Bleches als auch des Werkzeugs stellt er fest, daß mit niedrigerer Rauheit höhere Ziehverhältnisse erreicht werden, bei höherviskosen Schmierstoffen kann jedoch auch eine Mindestrauheit von wenigen mm erforderlich sein. Rauheiten über 10 mm verschlechtern die Ziehergebnisse. Diesen Effekt führt er darauf zurück, daß bei rauhen Oberflächen der Schmierstoff der Kontaktzone nicht gleichmäßig genug zugeführt werden kann. Schmierstoffviskosität und Rauheit des Werkzeugs wirken sich stärker auf das Ziehergebnis aus als die Rauheit des Bleches.
Littlewood und Wallace [132] kommen durch Streifenziehversuche mit Umlenkung ebenfalls zu dem Ergebnis, daß rauhe Oberflächen die Reibung erhöhen. Zu glatte Bleche verstärken die Gefahr von Aufschweißungen. Littlewood und Wallace ermitteln eine Rauheit von etwa 40 min CLA als optimal (entspricht einem Mittenrauhwert von ca. Ra=1 mm). Additive auf Chlor- und Schwefel-Basis verringern die Gefahr von Aufschweißungen, wirken sich aber nicht nachweisbar auf die Reibung aus. Für hohe Geschwindigkeiten nimmt die optimale Schmierstoffviskosität mit steigender Blechrauheit zu, während bei niedrigen Geschwindigkeiten eine hohe Viskosität generell zu niedrigerer Reibung führt. Über dem Ziehweg beobachten Littlewood und Wallace bei rauhen Oberflächen und niedrigen Viskositäten ein Ansteigen der Reibung und erklären diesen Effekt mit dem Herausquetschen des Schmierstoffs aus der Wirkfuge.
Messungen von Kasik und Reissner [107] zeigen, daß das unter dem Niederhalter aufdickende Blech deutlich einglättet und zu erhöhten Reibungszahlen führt. Eine Absenkung der Reibungszahlen ist mit hochviskosen polaren Schmierstoffen sowie mit gesteigerten Ziehgeschwindigkeiten möglich. Die Verbesserung der Druckfestigkeit des Schmierstoffs durch Additive hat kaum einen Einfluß auf die Reibungszahlen, wenn nicht gleichzeitig die Viskosität erhöht wird.
Mössle untersucht die Oberflächenwandlung von Aluminiumblechen mit Zugversuchen, Biegeversuchen, Streifenziehversuchen und Näpfen [151]. Die Aufrauhung infolge freier Dehnung wurde als entscheidende Einflußgröße auf die Ausbildung der Oberfläche festgestellt. Die Aufrauhung des Bleches während der Umformung kann dazu führen, daß der Schmierstoff nicht mehr ausreicht, das Volumen zwischen Blech und Werkzeug auszufüllen, so daß sich die tribologischen Bedingungen verschlechtern. Die Aufrauhung wird von der Korngröße und von der größten Hauptformänderung des Bleches bestimmt.
Mössle weist darauf hin, daß das Niveau der Reibungszahlen und das Auftreten von Kaltaufschweißungen nicht korrelieren. Während die Viskosität das Risiko von Kaltaufschweißungen nicht nachweisbar beeinflußte, wurden mit zunehmender Viskosität deutlich geringere Reibungszahlen gemessen.
Zur Beschreibung der Blechoberfläche nutzt Mössle vorwiegend die Kenngrößen Rz (gemittelte Rauhtiefe) und Rpm (mittlere Glättungstiefe). Bezüglich einer für die Umformung geeigneten Oberfläche für Aluminiumblech empfiehlt er isotrope Topografien mit einer Mindestrauheit von Rz zwischen 5 und 10 mm sowie einen hohen Profilleeregrad, was den Ergebnissen an Stahl von Fischer und Wiegand entspricht.
Ebenfalls mit der Oberflächenkenngröße Rpm zeigt Emmens Zusammenhänge zum tribologischen Verhalten unterschiedlich texturierter Stahlbleche auf. In seinen Modellversuchen variiert er die tribologischen Bedingungen in weiten Grenzen und stellt die Ergebnisse in Form von Stribeck-Diagrammen dar. In dieser Darstellungsform wird deutlich, daß unterschiedliche Verzinkungsverfahren sich auf das Niveau der Reibungszahl im Grenzreibungsgebiet auswirken [49]. Mit zunehmender Glättungstiefe Rpm der Bleche wird der Übergang von der Grenz- zur Mischreibung in Richtung hydrodynamischer Schmierung verschoben. Werden die Werte der Abszisse des Stribeck-Diagramms durch das Quadrat der Oberflächenkenngröße Rpm dividiert, dann verlaufen die Kurven von Topografien vergleichbaren Typs, aber unterschiedlicher Rauheit weitgehend deckungsgleich. Emmens schließt daraus, daß die Reibungseigenschaften von Stahlblech-Oberflächen eines Typs allein mit der Oberflächenkenngröße Rpm beschrieben werden können [133].
In neueren Untersuchungen weist Emmens auf die im Vergleich zu Stahlblechen deutlich stärkere Einebnung der Topografie von Aluminiumblechen hin [134]. Er zeigt, daß die Oberflächenkenngrößen zur Beurteilung des tribologischen Verhaltens nicht am unbelasteten sondern am eingeglätteten Blech gemessen werden müssen, um ähnlich gute Zusammenhänge zum tribologischen Verhalten aufzuzeigen wie bei den Stahlblechen. Aus dem Vergleich der Ergebnisse von mill-finish- und EDT-Oberflächen schließt er, daß bei starker Einglättung der untersuchten EDT-Topografie ein tribologischer Mechanismus wirkt, der nicht allein durch die Oberflächenkenngröße Rpm beschrieben werden kann. Emmens erklärt diesen Effekt mit dem hydrostatischem Traganteil der durch die Einglättung entstehenden abgeschlossenen Schmierstofftaschen der EDT-Struktur.
Neben diesem hydrostatischen Mechanismus wird von Balbach [90] ein weiterer tribologischer Mechanismus der abgeschlossenen Schmiertaschen beschrieben. Danach wirken die abgeschlossenen Schmiertaschen zusätzlich durch das Herausfließen des Schmierstoffs aus den Taschen in die Kontaktzone. Beobachtungen an transparenten Werkzeugen und Messungen der Werkstückoberfläche der in Ziehrichtung hinter einer Schmiertasche liegenden Kontaktzone zeigen aufgerauhte Oberflächen [117, 118, 135]. Sie lassen auf einen mikro-plasto-hydrodynamischen Schmierfilm schließen. In Zonen, die nicht direkt hinter einer geschlossenen Schmiertasche liegen, kann sich unter ansonsten gleichen tribologischen Bedingungen kein entsprechender Mikro-Schmierfilm ausbilden [88].
Wanheim [136] beschreibt einen Mechanismus, bei dem die Topografie während des Ziehvorgangs kontinuierlich einglättet. Der Schmierstoff wird so lange aus der Topografie herausgedrückt, bis das Einglättungsvermögen der Topografie erschöpft ist und es zu Aufschweißungen kommt.
Balbach [90] untersucht Aluminiumbleche mit verschiedenen Topografien und formuliert Anforderungen an eine aus tribologischer Sicht optimale Oberflächenstruktur. Neben hohen Spitzenzahlen soll eine niedrige Rauheit und ein ausreichendes Einglättungsvermögen vorhanden sein. Er weist darauf hin, daß geeignete Oberflächenkenngrößen fehlen.
Um die von Balbach qualitativ beschriebenen Eigenschaften der Oberflächen quantitativ beurteilen zu können, entwickelt Wagner [94] 3D-Oberflächenkenngrößen. Seine Ergebnisse mit Streifenziehversuchen und einem segmentierten Tiefziehwerkzeug zeigen, daß die 3D-Vermessung eine genauere und funktionsorientierte Beschreibung der Blechoberfläche ermöglicht, wenn verschiedene 3D-Kenngrößen im Zusammenhang gesehen werden.
Wagner beurteilt die folgenden Eigenschaften als günstig:

Um den tribologischen Mechanismus des hydrostatischen Druckaufbaus in abgeschlossenen Schmiertaschen quantifizieren zu können, wurden von Pfestorf [88] und vom Autor [137] 3D-Oberflächenkenngrößen zur Beschreibung der Flächenanteile und Volumina der abgeschlossenen Schmierstofftaschen entwickelt. Sowohl in Streifenziehversuchen [137, 176], als auch durch Ergebnisse im Preßwerk [87] konnte nachgewiesen werden, daß Bleche mit höheren Anteilen abgeschlossener Leervolumina günstigere tribologische Eigenschaften zeigen.
Folgerungen
Die experimentellen Untersuchungen haben wesentlich zu einem verbesserten Verständnis der tribologischen Mechanismen in der Blechumformung beigetragen. Demnach muß die Topografie die folgenden Funktionen erfüllen: Die Fragen, welche Mechanismen unter welchen Bedingungen die Reibung beeinflussen, und welche Eigenschaften die Topografie aufweisen sollte, erfordern noch umfangreiche Untersuchungen: Voraussetzung zur Klärung der Frage, welcher Mechanismus unter welchen Bedingungen wirken kann, ist ein verbessertes Verständnis der Wandlung der Oberflächenfeingestalt während der Umformung. Im folgenden Kapitel wird der Stand der Erkenntnisse zur Oberflächenwandlung beschrieben.

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