zur Homepage von Johannes Staeveszum vorherigen Kapitelzum Inhaltsverzeichniszum nächsten Kapitelzum PtU

7.4 Auswahl der Filterung der Meßdaten

In Kapitel 2 (Der Stand der Forschung) wurde darauf hingewiesen, daß man die Welligkeit zur Beurteilung der tribologischen Eigenschaften aus den Meßdaten herausfiltern sollte, da eine im Blech vorhandene Welligkeit während des tribologischen Kontakts leichter einebnet als die Rauheit [154] und sich deshalb kaum auf das tribologische Verhalten auswirken kann. In diesem Kapitel werden Filter und Filterparameter ausgewählt, um deren Eignung anhand des Vergleichs der Oberflächenkenngrößen in Kapitel 8.4 beurteilen zu können.
Aus der 2D-Meßtechnik abgeleitete Filter
Neben dem ungefilterten Profil, das aus der mit der Methode der kleinsten Quadrate ausgerichteten Meßfläche besteht, wird der in der 2D-Meßtechnik als Standard geltende Gauß-Filter eingesetzt. Der Rechteckfilter benötigt einen etwas geringeren Rechenaufwand als der Gauß-Filter. Um den Nachteil des schlechteren Übertragungsverhaltens des Rechteckfilters mit dem Vorteil kürzerer Rechenzeiten abwägen zu können, wird auch die Rechteckfilterung durchgeführt. In einer früheren Arbeit des Autors [77] sind die Nachteile dieser Filter bei der Anwendung auf tribologisch beanspruchte Blechoberflächen dargestellt. Durch die Filterung können Profilverzerrungen auftreten, die die Werte der Oberflächenkenngrößen deutlich verfälschen.
Die doppelte Filterung, mit der diese Verzerrungen minimiert werden sollen, hat sich für Blechoberflächen als ungeeignet erwiesen, da sich die Ergebnisse kaum von denen der einfachen Filterung unterscheiden. In dem Vorschlag für ein neues Stahleisen-Prüfblatt für deterministische Blech-Oberflächenstrukturen ist die doppelte Filterung vorgesehen. Um zu überprüfen, ob der Aufwand für die doppelte Filterung gerechtfertigt ist, werden auch die Messungen dieser Arbeit mit doppelter Gauß- und Rechteckfilterung untersucht.
Für die Grenzwellenlänge der Filter wurde vom Arbeitskreis 3D-Oberflächenkenngrößen ein Wert von 0,6 mm vorgeschlagen. Zur Prüfung anderer Werte werden für alle Filter auch die Grenzwellenlängen 0,3 und 0,9 mm untersucht. Tabelle 34 im Anhang enthält die ausgewählten Filter und Filterparameter.
Der modifizierte Kugelfilter
Eine der Ursachen für die Verzerrungen der Gauß- und Rechteckfilter liegt darin, daß sie als Welligkeit eine Mittellinie durch das Profil berechnen (M-System). Die aus tribologischer Schicht relevante Welligkeit kann dieser nur dann entsprechen, wenn die Topografie bis zur Mitte der Topografie einglättet. In der Blechumformung glätten die Bleche nur selten so weit ein [183].
Bei der Anwendung der Filter auf moderne Blechoberflächen mit Krater-Strukturen können zusätzliche Profilverzerrungen entstehen. Abbildung veranschaulicht diesen Effekt an einer Modelloberfläche mit einem rechteckigen Krater. Diese Fläche enthält keine Welligkeit, denn der Krater soll in der gefilterten Fläche erhalten bleiben und nicht zur Welligkeit gerechnet werden. Eine Filterung wäre demnach nicht nötig. Wird die Oberfläche trotzdem gefiltert, dann soll das Ergebnis möglichst unverfälscht sein, und der ungefilterten Fläche entsprechen.

Bild 37: Verzerrung der Meßdaten bei Gauß-Filterung am Beispiel einer Modelloberfläche

Die durch die Filterung berechnete Welligkeit ist rechts dargestellt. Die gefilterte Fläche wird aus der Differenz der ungefilterten Fläche und der Welligkeit berechnet. Das Ergebnis zeigt, daß der Rand des Kraters der gefilterten Fläche höher liegt als bei der ungefilterten Fläche. An der gefilterten Oberfläche wird ein zu hohes Leervolumen berechnet, da das Werkzeug nicht wie bei der ungefilterten Fläche auf dem gesamten Plateau aufliegt, sondern auf dem höchsten Punkt des aufgeworfenen Kraterrandes.
Bild 38 zeigt oben einen Schnitt durch eine Modell-Topografie, die aus einer feinen Rauheit, 2 Kratern und einer überlagerten Welligkeit besteht.

Bild 38: Mit unterschiedlichen Filtern berechnete Welligkeitsprofile an einer Modelloberfläche

Etwa in der Mitte ist eine kleine etwas höhere Spitze enthalten. Solche Spitzen können entweder durch Ausreißer in der Messung entstehen oder tatsächlich auf dem Blech vorhanden sein.
Wird diese Topografie durch tribologischen Kontakt belastet, dann glätten die Welligkeit und die Spitzen ein.
Damit der Filter die Einglättung der Topografie richtig abbilden kann, sollte die berechnete Welligkeit möglichst genau der im unteren Bild eingezeichneten sinusförmigen Welligkeit entsprechen (dickere Linie). Das gefilterte Profil wird berechnet, indem man die Welligkeit vom ungefilterten Profil subtrahiert. Das führt dazu, daß die Punkte der ungefilterten Topografie, durch die die Welligkeit verläuft, im gefilterten Profil auf der Höhe 0 liegen.
Soll die Einglättung der Spitzen berücksichtigt werden, dann lassen sich zusätzlich alle Werte >0 auf =0 setzen (belastete/eingeglättete Topografie in Bild 38). Da auch die Spitzen wichtige Informationen enthalten, werden sie im allgemeinen nicht abgeschnitten, sondern je nach zu berechnender Kenngröße entweder alle Daten oder nur die Daten <0 ausgewertet.
Die drei mit M-Filtern berechneten Welligkeiten geben den Verlauf der durch den tribologischen Kontakt eingeebneten Welligkeit nur schlecht wieder.
Filter nach dem E-System wie der Kugelfilter berechnen eine einhüllende Kurve, die die Topografie in den höchsten Punkten berührt. Beim Kugelfilter wird ein Kreis rechnerisch so über den Tastschnitt gerollt, daß er ihn ständig in mindestens einem Punkt berührt. Der tiefste Punkt des Kreises beschreibt dabei eine Bahn, die als Welligkeit des Profils interpretiert wird. Ohne die einzelne Spitze der in Bild 38 dargestellten Topografie würde der Kugelfilter die Welligkeit deutlich besser abbilden können als die Filter des Mittellinien-Systems. Spitzen führen aber dazu, daß die Welligkeit stark verzerrt wird, da die Kugel über die Spitzen hinwegrollen muß. Bild 39 veranschaulicht diesen Effekt am Beispiel einer Fläche.

Bild 39: Verzerrung einer Modelloberfläche mit Spitze bei Kugelfilterung

Links ist eine ebene Fläche mit einer einzelnen Spitze in der Mitte dargestellt. Die mittlere Abbildung zeigt die vom Kugelfilter berechnete Welligkeit. Durch Subtraktion der Welligkeit von der Ausgangsfläche resultiert die rechts dargestellte Fläche. Infolge der Filterung entsteht damit ein Krater in der Oberfläche, der in der ursprünglichen Fläche nicht vorhanden ist.
Filter nach dem M(ittellinien)-System simulieren eine zu starke und Filter nach dem E(inhüllenden)-System keine Einglättung der Spitzen. Beide Filtermethoden führen zu Verzerrungen der Meßdaten. Stünde ausreichende Rechenleistung zur Verfügung, dann wäre es eine Lösung, die Einglättung jeder gemessenen Topografie mit der Methode der Finiten Elemente zu simulieren. Bei den hohen Meßpunktezahlen liegen die Rechenzeiten dafür zur Zeit noch im Bereich von Tagen.
Um die Einglättung der Spitzen trotzdem berücksichtigen zu können, wurde im Rahmen dieser Arbeit der modifizierte Kugelfilter entwickelt. Er beruht auf dem von Weingräber [169] beschriebenen und aus der 2D-Meßtechnik bekannten Kugelfilter.

Bild 40: Prinzip des modifizierten Kugelfilters mit eindringenden Punkten

Die Modifikation des Kugelfilters besteht darin, daß bei einer 3D-Messung eine feste Anzahl von Punkten in die Kugel eindringen kann. Die Punkte der Fläche, die während des Überrollens in die Kugel eingedrungen sind, werden als durch den tribologischen Kontakt eingeebnete Spitzen interpretiert.
Durch die beiden Parameter des Filters (Radius der Kugel und Anzahl der eindringenden Punkte) wird festgelegt, wie stark die Kugel in die Topografie einsinkt und wie groß die berechnete Einglättung der Topografie ist. Der Materialflächenanteil der durch den Kugelfilter eingeglätteten Spitzen stellt eine weitere Oberflächenkenngröße dar, die zur Beschreibung der Topografie genutzt werden kann. In Anlehnung an den Materialanteil der Spitzen Mr1 wird diese Kenngröße im folgenden mit Srk bezeichnet und hinsichtlich ihrer Eignung zur Beschreibung der Topografie untersucht.
Der Algorithmus des Kugelfilters und seine Programmierung sind im Anhang erläutert.
Die feste Anzahl von Punkten entspricht einer konstanten Beanspruchung des Bleches durch Kontaktnormalspannung. Bei Annahme einer konstanten Fließspannung kf des Blechwerkstoffs wird die Kugel mit einer Normalkraft

FK = kf * n * dx * dy                                  Gleichung 6

in die Topografie gedrückt, wobei n die Anzahl der eindringenden Punkte und dx bzw. dy die Abstände der Meßpunkte in beiden Koordinatenrichtungen bezeichnen.
Der Radius der Kugel legt die Grenzwellenlänge der Filterung fest. Ein großer Radius führt dazu, daß nur langwellige Anteile in der Welligkeit enthalten sind, bei kleineren Radien werden auch kürzere Wellenlängen zur Welligkeit gerechnet.
Bei geeigneten Filterparametern kann der modifizierte Kugelfilter die Welligkeit der Topografie in Bild 38 deutlich besser abbilden als die übrigen Filter. Bei Untersuchungen des Autors zur Beurteilung der zum Ziehen erforderlichen Schmierstoffmenge hat dieses Filter zu den besten Ergebnissen geführt [77] und Korrelationen zwischen Oberflächenkenngrößen und dem tribologischen Verhalten konnten von Jonasson nur bei Verwendung dieses vom Autor entwickelten Filters aufgezeigt werden [196].
Zur Bestimmung der beiden Filterparameter des Kugelfilters wurden bisher nur einzelne Voruntersuchungen durchgeführt. In dieser Arbeit werden die Filterparameter systematisch variiert, um die für die Beurteilung von Topografien optimalen Filterparameter zu bestimmen (Tabelle 34 im Anhang, Zeile 6). Der Radius von 5 mm hat sich bisher als geeignet erwiesen. Bei zu niedrigen Radien taucht die Kugel in Krater ein, was dazu führt, daß die Krater zur Welligkeit gerechnet werden. Da die Kraterdurchmesser etwa 0,2 bis 0,3 mm betragen, wird ein minimaler Kugelradius von 1 mm gewählt, damit die Kugel in keinem Fall vollständig in die Krater eintauchen kann.
Die maximale Punktezahl von 250 x 250 erfordert eine Rechenzeit für die Kugelfilterung auf einem PC mit Pentium Pro 200 Prozessor je nach Kugelradius und Anzahl der eindringenden Punkte von einigen Minuten bis zu mehreren Stunden. Da die Rechenzeit mit der dritten Potenz der Punktezahl zunimmt, führen geringere Punktezahlen zu deutlich niedrigeren Rechenzeiten. Bei voller Punktezahl werden sowohl die Rauheit als auch die Welligkeit mit jeweils 250 x 250 Punkten abgebildet. In der Welligkeit sind keine kurzwelligen Anteile mehr enthalten, so daß zu ihrer Beschreibung nicht die volle Punktezahl benötigt wird. Um zu untersuchen, wie weit die Punktezahl zur Beschreibung der Welligkeit reduzierbar ist, wird die Filterung mit den Punktezahlen von 200 x 200, 150 x 150 und 100 x 100 Punkten durchgeführt (Tabelle 34 im Anhang, Zeile 7). Durch die Subtraktion der Welligkeit von der ursprünglichen Fläche mit voller Punktezahl behält die gefilterte Fläche die volle Punktezahl und den vollen Informationsgehalt der Rauheit.
Bei der Filterung mit reduzierter Punktezahl werden 100 eindringende Punkte verwendet. Damit steigt wird bei gleicher Anzahl eindringender Punkte deren Anteil und es eine stärkere Einebnung der Oberfläche simuliert.
Die MOTIF-Methode ist in erster Linie zur Berechnung von 2D-Oberflächenkenngrößen entwickelt worden, beinhaltet aber auch eine Filterung, die auf 3D-Meßdaten übertragen werden kann [197]. Sie erfordert allerdings komplexe Regeln zur Ermittlung und Kombination der 3D-Motifs, die sich zur Zeit noch in der Entwicklung befinden. Zusätzlich sind Methoden zur Unterdrückung einzelner Spitzen notwendig [DIN ISO 12085]. Diese Methoden der Spitzenunterdrückung sind nicht wie beim modifizierten Kugelfilter für die Abbildung der Einglättung, sondern zur Unterdrückung von Ausreißern in der Messung entwickelt worden. Die MOTIF-Methode läßt deshalb keine Vorteile gegenüber dem modifizierten Kugelfilter erwarten und wird hier nicht ausgewählt.
Spline und Fourier-Filter werden nicht berücksichtigt, da sie nach dem M-System arbeiten und dadurch hoch und tiefliegende Spitzen gleich gewichten. Unterschiedlich tiefe Krater wirken sich wie bei Gauß- und Rechteckfilter auf die berechnete Welligkeit aus und können die tribologische Kontaktfläche verzerren (Bild 37).
Insgesamt stehen mit dieser Auswahl von jeder Messung 104 unterschiedlich gefilterte Flächen zur Verfügung (Tabelle 34), an denen die in Kapitel 7.1 (Tabelle 18) beschriebenen 78 Oberflächenkenngrößen berechnet werden.

zur Homepage von Johannes Staeveszum vorherigen Kapitelzum Inhaltsverzeichniszum nächsten Kapitelzum PtU