zur Homepage von Johannes Staeveszum vorherigen Kapitelzum Inhaltsverzeichniszum nächsten Kapitelzum PtU

2.5.2 Profilfilter

Die mit Meßgeräten erfaßten Profile enthalten neben der üblicherweise auszuwertenden Rauheit zusätzliche Geometrieabweichungen wie Formabweichungen und Welligkeit. Will man Rauheit oder Welligkeit mit Oberflächenkenngrößen beschreiben, dann müssen zunächst die im gemessenen Profil enthaltenen Geometrieabweichungen mit geeigneten Filtern separiert werden.
In Kapitel 2.4 sind Untersuchungen zur Einglättung der Blechoberfläche durch den tribologischen Kontakt beschrieben. Als wesentlich wurde dabei herausgestellt, daß durch den tribologischen Kontakt die Spitzen der Topografie einglätten und die Welligkeit einebnet. Es wurde darauf hingewiesen, daß man funktionsorientierte Oberflächenkenngrößen an der durch den tribologischen Kontakt deformierten Oberfläche berechnen sollte. Im Rahmen dieser Arbeit wird untersucht, ob Filter dafür einsetzbar sind, möglichst genau die Welligkeit, die durch den tribologischen Kontakt während der Umformung einglättet, aus dem gemessenen Profil herauszurechnen.
Die Klassifizierung der Geometrieabweichungen wird nach DIN 4760 durchgeführt. Die Zuordnung der Wellenlängen zu den Klassen Form, Welligkeit und Rauheit hängt von der jeweiligen Funktion und Anwendung ab, weshalb in DIN 4760 die Grenzen zwischen den einzelnen Gestaltabweichungen nicht festgelegt sind (Bild 7).

Bild 7: Grenzwellenlängen zur Trennung von Rauheit und Welligkeit
Die zur Auswertung nutzbaren maximalen und minimalen Grenzwellenlängen werden bereits mit der Auswahl des Meßgerätes und der Meßbedingungen bestimmt. Wellenlängen oberhalb der Größe der vermessenen Fläche sind im gemessenen Profil nicht auswertbar. Verschiedene Untersuchungen zeigen, daß für die Qualität der Lackierung längerwelligere Anteile berücksichtigt werden müssen als für die Beurteilung des tribologischen Verhaltens. Die Anwendung in der Lackierung erfordert daher größere Meßflächen.
Die untere Grenzwellenlänge ist durch den Abstand der einzelnen Meßpunkte und den Durchmesser des Meßflecks bzw. der Tastnadel festgelegt. Wellenlängen kleiner als der doppelte Meßpunktabstand können nicht ausgewertet werden. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, daß selbst bei ausreichend kleinem Tastabstand kleine Wellenlängen dann nicht richtig erfaßt werden, wenn der Tastnadelradius oder der Meßfleckdurchmesser zu groß sind.
Tastsysteme wie Gleitkufentaster bewirken ebenfalls eine Filterung des Profils. Welche Anteile des Profils durch das Tastsystem gefiltert werden ist unbekannt und kann nachträglich nicht mehr ausgewertet werden. Für Schiedsfälle sind deshalb in DIN 4768 und DIN ISO 13565 Bezugsebenentaster vorgeschrieben.
Für 2D-Messungen in der Blechumformung wurde in Deutschland im Stahleisen-Prüfblatt SEP 1940 [166, 167] zur Trennung von Welligkeit und Rauheit eine Grenzwellenlänge von 2,5 mm festgelegt. Die Gesamtmeßstrecke beträgt 12,5 mm und der Tastnadelradius 5 mm. Für die in der französischen Automobilindustrie verwendete MOTIF-Methode sind dagegen ein Tastnadelradius von 2 mm und eine Meßstrecke von 16 mm vorgeschrieben. Die Grenze zwischen Rauheit und Welligkeit (Parameter A und B) betragen 0,5 und 2,5 mm.
Für die dreidimensionale Vermessung von Oberflächen werden neue Meßvorschriften benötigt. Ausgehend von verschiedenen Untersuchungen hat der Arbeitskreis 3D-Oberflächenkenngrößen (die umformtechnischen Institute in Darmstadt, Erlangen und Stuttgart) eine Auswertefläche von 3 x 3 mm bei einem Meßpunkteabstand von 4 mm und eine Grenzwellenlänge von 0,6 mm vorgeschlagen.

Zur Trennung der Gestaltabweichungen bei vorgegebenen Grenzwellenlängen wurden verschiedene Filterverfahren entwickelt (Bild 8).
Bei der Bezugsstreckenfilterung (DIN 4762) wird die Gesamtmeßstrecke in eine oder mehrere Teilstrecken untergliedert. Die Kenngrößen werden an den einzelnen Teilstrecken berechnet und anschließend zu einem Mittelwert zusammengefaßt, oder die Teilstrecken werden einzeln ausgerichtet und wieder zusammengesetzt, um die Kenngrößen am gesamten Profil zu berechnen. In den Kenngrößen sind dann keine Informationen aus längerwellingen Anteilen enthalten.

Bild 8: Methoden zur Filterung der Oberflächenmeßdaten
Die in älteren Geräten verwendeten RC-Filter trennen Welligkeit und Rauheit bereits während der Messung. Die Grenzwellenlänge wird durch einen Widerstand und  einen Kondensator festgelegt. Diese Filter weisen Phasenverschiebungen auf und führen je nach Anwendung zu mehr oder weniger gravierenden Verzerrungen des Profils. Phasenkorrekte Filter haben diesen Nachteil nicht, erfordern aber, daß die Filterung im Anschluß an die Messung in einem separaten Berechnungsschritt durchgeführt wird.
Nach der Form der Gewichtungsfunktion unterscheidet man unter anderen Rechteck, Dreieck- Butterworth- und Gauß-Filter [168]. Das phasenkorrekte Filter mit Gauß-förmiger Gewichtungsfunktion ist das zur Zeit am häufigsten verwendete.
Da diese Filter eine Mittellinie durch das gemessene Profil berechnen, werden sie als M-Filter bezeichnet. Untersuchungen von Bodschwinna haben gezeigt, daß diese am Mittelprofil orientierten Filter bei der Anwendung für tribologische Fragestellungen verschiedene Nachteile aufweisen können. Einzelne Riefen führen zu Deformationen des gefilterten Profils. Insbesondere wenn diese Deformationen im Bereich der tribologischen Kontaktfläche liegen, ist mit durch die Filterung verfälschten Oberflächenkenngrößen zu rechnen. Bodschwinna entwickelte deshalb die Methode der doppelten Filterung mit Riefenunterdrückung [159], die inzwischen in DIN 4776 und DIN ISO 13565-1 zur Berechnung der Rk-Parameter vorgeschrieben ist. Durch die zweimalige Anwendung eines M-Filters und durch rechnerisches Abschneiden der Riefen ermittelt dieses Filter eine Welligkeit, die sich, entsprechend dem tribologischen Kontakt, mehr an den oberen Bereichen der Topografie orientiert. Bei einzelnen Riefen im Profil, wie sie für geschliffene und gehohnte Oberflächen üblich sind, verringert dieses Filter die Profilverzerrungen deutlich. Wie weit die in deterministischen Blech-Topografien vorhandenen relativ voluminösen Krater diese Filterung beeinflussen, ist nicht bekannt.
Die Filter nach dem E-System bieten eine Methode, die für den tribologischen Kontakt relevanten oberen Bereiche der Topografie bei der Filterung stärker zu gewichten, als die tiefliegenden Täler. Sie berechnen eine Linie durch die lokal höchsten Punkte der Topografie. Beim Kugelfilter wird eine Kugel rechnerisch über die gemessene Oberfläche gerollt. Der tiefste Punkt der Kugel beschreibt eine die Topografie einhüllende Kurve, die durch die lokal höchsten Punkte der Topografie verläuft [169].
Die in der französischen Automobilindustrie eingesetzte MOTIF-Methode berechnet sogenannte Rauheitsmotifs, indem sogenannte unwesentliche Profilirregularitäten aus den Meßdaten herausgerechnet werden. Die Welligkeit ermittelt man, indem eine Linie durch die als wesentlich erkannten Profilspitzen gelegt wird. Beide Verfahren, sowohl die Kugelfilterung als auch die MOTIF-Methode, bieten gegenüber den M-Filtern verschiedene Vorteile [169, 170]. Sie weisen aber den Nachteil auf, empfindlich auf Meßfehler in den Profilspitzen zu reagieren, weshalb Methoden zur Unterdrückung einzelner Ausreißer erforderlich werden (DIN ISO 12085).
Eine weitere Möglichkeit zur Filterung der Meßdaten bietet die Fourier-Transformation. Durch Transformation in den Frequenzbereich, Entfernung unerwünschter Frequenzen und Rücktransformation können beliebige Frequenzen aus dem gemessenen Profil herausgerechnet werden.
Da die üblichen Filterverfahren die Welligkeit anhand der benachbarten Punkte berechnen, am Anfang und am Ende der Meßstrecke aber nicht genügend benachbarte Punkte zur Verfügung stehen, kann am Rand nicht korrekt gefiltert werden. Nach der Filterung muß man die am Rand falsch gefilterten sogenannten Vor- und Nachlaufstrecken abschneiden. Spline-Filter bieten hier Möglichkeiten, die Vor- und Nachlaufstrecken zu minimieren [171]. Die in der Literatur beschriebenen Spline-Filter beruhen auf dem Mittellinien-System und gewichten deshalb die Spitzen und die Täler der Topografie gleich.
Formfilter subtrahieren bekannte Geometrien von den Meßdaten. Wurde z.B. die Rauheit auf einem Zylinder oder einer Kugel mit bekanntem Radius gemessen, dann läßt sich diese Krümmung aus den Meßdaten herausrechnen [196].
Alle erwähnten Filter hat man zunächst für die Filterung von 2D-Daten entwickelt. Sie lassen sich aber analog auf 3D-Daten anwenden. Eine Gegenüberstellung von Vor- und Nachteilen verschiedener 3D-Filter bei der Anwendung in der Blechumformung ist im vom Autor in einer früheren Arbeit veröffentlicht [77].
Folgerungen
Die in der Oberflächenvermessung eingesetzten Filter erfüllen je nach Anwendung unterschiedliche Aufgaben:

Das Abbilden der Einglättung durch die Filterung ist eine neu hinzukommende aus den Anforderungen der Blechumformung entstandene Aufgabe und in der Literatur bisher nicht behandelt. Einige Literaturstellen weisen darauf hin, daß bei der Untersuchung von Wälzkontakten eine an die Funktion angepaßte Filterung Voraussetzung für die Ermittlung aussagekräftiger Kenngrößen ist [159]. Folglich müssen je nach zu erfüllender Funktion unterschiedliche Filter eingesetzt werden. Dies steht der Bestrebung entgegen, die in der Oberflächenmeßtechnik eingesetzten Filtermethoden zu vereinheitlichen.
Als wesentliche Anforderungen an Profilfilter für die Anwendung in der Blechumformung können zusammengefaßt werden: Alle aus der Literatur bekannten Filter weisen nach diesen Kriterien deutliche Nachteile auf. Vor dem Vergleich verschiedener Filter bei der Anwendung in der Blechumformung wird deshalb in Kapitel 7.4 ein neues auf dem Kugelfilter beruhendes 3D-Filter entwickelt.

zur Homepage von Johannes Staeveszum vorherigen Kapitelzum Inhaltsverzeichniszum nächsten Kapitelzum PtU