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2.2.3 Beanspruchungen

Um die gleichen tribologischen Mechanismen wie im Realprozeß zu erreichen, muß der Modellversuch vergleichbare tribologische Beanspruchungen simulieren. Die wichtigsten tribologischen Beanspruchungskenngrößen sind nach DIN 50320 Flächenpressung, Gleitgeschwindigkeit, Temperatur und Beanspruchungsdauer.
Flächenpressung
Die Flächenpressung beeinflußt direkt die Einglättung der Topografie. Unter dem Niederhalter von Ziehwerkzeugen werden unter normalen Bedingungen Flächenpressungen von einigen N/mm² eingestellt. Durch das partielle Aufdicken des Bleches differieren die lokalen Beanspruchungen deutlich [85, 96, 107]. An aufgedickten Stellen können Kontaktnormalspannungen in der Größenordnung der Fließgrenze des Bleches entstehen, die dazu führen, daß der Niederhalter angehoben wird, so daß andere Stellen des Bleches nicht mehr mit dem Werkzeug in Kontakt stehen. Mit der Methode der Finiten Elemente wurde die Verteilung der Kontaktnormalspannung über Werkzeugradien berechnet. Die Ergebnisse zeigen, daß einfache Berechnungsansätze, wie die häufig verwendete Eytelweinsche Gleichung, die komplexe Verteilung der Kontaktnormalspannung über dem Radius nur ungenügend abbilden können [69, 77, 86].
Gleitgeschwindigkeit
Die Gleitgeschwindigkeit läßt sich über die Stempelgeschwindigkeit abschätzen oder durch an den Platinenrand angeschweißte Drähte und Meßzungen messen. Typische Werte liegen im Bereich zwischen 50 und 200 mm/s, in Einzelfällen werden Modellversuche auch mit 1000 mm/s durchgeführt [96].
Temperatur
Die Temperatur im Schmierspalt ist wegen der starken Temperaturabhängigkeit der Viskosität der üblichen Schmierstoffe von entscheidender Bedeutung für die Reibung [86, 115]. Ein Schmierstoff mit hoher Viskosität kann von der Topografie besser in der Umformzone gehalten werden als ein niedrigviskoser. Die Temperatur der Bleche und Werkzeuge steigt durch die Umform- und Reibwärme deutlich an. Da die an der Oberfläche entstehenden Reibwärme innerhalb sehr kurzer Zeit in das Blech und das Werkzeug abfließt, sind die Maximalwerte nicht meßbar. Berechnungen von Blitztemperaturen lassen auch unter den Bedingungen der Blechumformung Temperaturerhöhungen von mehreren hundert Grad vermuten [31, 116].
Um im Modellversuch das Ausfließen des Schmierstoffs aus der Topografie richtig abzubilden, muß sichergestellt werden, daß Reib- und Umformwärme in der gleichen Größenordnung wie im Realprozeß vorliegen. Für die Reibwärme sind insbesondere Kontaktnormalspannung und Gleitgeschwindigkeit genau abzubilden. Die Umformwärme simuliert man durch plastische Umformung des Blechwerkstoffs. Läuft der Modellversuch nicht im Dauerbetrieb, dann ist die Erwärmung der Werkzeuge durch eine externe Temperierung zu simulieren.
Beanspruchungsdauer
Die Beanspruchungsdauer während einer Umformung beträgt im Realprozeß nur wenige Zehntelsekunden. In dieser Zeit variieren die Beanspruchungskenngrößen als Funktion der Zeit und des Ortes.
Durch die hohen in der Blechumformung üblichen Stückzahlen verändern sich die Verläufe der Beanspruchungen auch über der Lebensdauer des Werkzeugs. Nach der Erwärmung der Werkzeuge und nach dem Einlaufverschleiß wird ein Zustand erreicht, in dem das Werkzeug mehr oder weniger kontinuierlich bis zum Versagen verschleißt. Allein durch die Beanspruchungsdauer nach DIN 50320 lassen sich diese Beanspruchungsverläufe nicht beschreiben.
Der zunehmende Verschleiß im Werkzeug führt zu einer Veränderung der Werkzeugtopografie und damit der Reibung. Will man den Verschleißzustand des Werkzeugs für Reibungsuntersuchungen korrekt abbilden, sind ähnlich viele Beanspruchungszyklen wie bei realen Bauteilen durchzuführen. Um den dafür erforderlichen Versuchsaufwand zu umgehen, werden Reibuntersuchungen oft mit neuen Werkzeugen durchgeführt, oder das Einlaufen wird durch eine mehr oder weniger große Zahl von Versuchen vor Beginn der Messungen simuliert. Es liegen kaum Erkenntnisse darüber vor, wie sich diese Vereinfachungen auf die Ergebnisse der Reibversuche auswirken.

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