Bei kleinen Kontaktflächen in der Größenordnung einzelner Rauheitsspitzen wird der Schmierstoff sehr schnell seitlich verdrängt. Bei sehr kurzen Kontaktzeiten, wie beim Impuls durch den Aufprall einer Kugel auf eine Platte wurde nachgewiesen, daß der Schmierfilm nicht unterbrochen wird [182]. Unter diesen Beanspruchungsbedingungen ist auch die Abhängigkeit der Viskosität des Schmierstoffs von Druck und Temperatur zu berücksichtigen. Die Beobachtung, daß beim Auftreffimpuls des Niederhalters die Topografie kaum einglättet, kann durch diesen Mechanismus erklärt werden [190].
Bei größeren
homogen beanspruchten Bereichen im Werkzeug, wie unter dem Niederhalter
(Bild 22) oder am Stempelboden, hat der Schmierstoff längere Strecken
zurückzulegen, bis er entweichen kann. Bild 21 zeigt, daß je
nach Flächenpressung und Größe der Kontaktfläche einige
Zehntelsekunden benötigt werden, um den Schmierstoff zu verdrängen.
Versuche im Streifenziehversuch mit großen Werkzeugen (74 x 144
mm) ergaben, daß bei den kurzen für die Umformung benötigten
Kontaktzeiten von Blech und Niederhalter dieser Effekt die Reibung deutlich
beeinflussen kann.
In Bild 23 sind Reibungskraftverläufe im Streifenziehversuch bei
Flächenpressungen von 2 und 6 N/mm² dargestellt.
Bild 23: Im Streifenziehversuch gemessene Reibungskraftverläufe
für unterschiedliche Aufsetzzeitpunkte des Werkzeugs
Die Reibungskraft für "2 N/mm², laufend aufgesetzt" steigt
an, bis sie nach 1,5 bis 2 Sekunden einen stationären Zustand erreicht.
Die Kurve "2 N/mm², 5 min. Verweilzeit" stellt den Verlauf der Reibungskraft
dar, nachdem das Werkzeug 5 Minuten ohne Gleitbewegung auf dem Blech auflag.
Die Reibungszahl erreicht sofort den stationären Bereich. Für
"6 N/mm² laufend aufgesetzt" erfolgt wie bei 2 N/mm² ein Anstieg
der Reibungszahl über einen Zeitraum von ca. 1,5 Sekunden, um dann
in den stationären Zustand überzugehen. Nach 5 Minuten Verweilzeit
haftet das Blech zunächst, reißt los und gleitet mit deutlichen
Stick-Slip-Effekten. Die übrigen Kurven sind nach Verweilzeiten des
Werkzeugs von 0,5, 1, 5 und 30 Sekunden gemessen worden.
Die Messungen bestätigen den Mechanismus der Quetschströmungen
und die Ergebnisse der Berechnung. Je länger das Werkzeug vor dem
Gleiten des Bleches aufliegt, desto mehr Schmierstoff kann seitlich verdrängt
werden und desto höher ist die Haftreibung zu Beginn des Versuchs.
Nach etwa 2 Sekunden hat sich weitgehend unabhängig von der Verweilzeit
ein stationärer Bereich gebildet.
Bei offenen leeren Topografien kann der Schmierstoff durch die tiefliegenden
breiten Kanäle schneller aus der Kontaktzone entweichen als bei geschlossenen
vollen Topografien.
Neben der Haftreibung beeinflußt dieser Mechanismus auch die
Gleitreibung. Sind im oberen Bereich der Topografie feine Spitzen vorhanden,
dann setzt der Niederhalter schnell auf diesen Spitzen auf. Messungen und
FE-Simulationen zeigen, daß die feinen Spitzen relativ hohe Kontaktnormalspannungen
tragen können, ohne einzuglätten. Selbst der Auftreffimpuls des
Niederhalters glättet solche Spitzen kaum ein [190]. Sobald das Blech
nach dem Aufsetzen des Niederhalters gleitet, werden die Spitzen durch
Reibschubspannungen und Zugspannungen im Grundwerkstoff weiter eingeglättet.
Währenddessen muß der Schmierstoff weiter verdrängt werden
und trägt einen Teil der Kontaktnormalspannung. Je leerer die Topografie
im Bereich der Spitzen ist, desto mehr Schmierstoff muß während
der Umformung herausgedrückt werden und desto deutlicher kann dieser
Effekt wirken. Daß feine und hohe Spitzen die Reibung senken können,
wird in mehreren Untersuchungen bestätigt [80, 89, 125, 130] und kann
durch diesen Mechanismus erklärt werden.