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5 Reibmodell zur Beschreibung der Wirkmechanismen der Topografie

Ein vollständiges Reibmodell muß neben allen Reibungsmechanismen auch alle Verschleißmechanismen beinhalten. Alle Verschleißmechanismen sind Reibungsmechanismen, da die zum Lösen der Verschleißpartikel benötigte Energie aus der Relativbewegung zwischen Grund- und  Gegenkörper aufgebracht wird und deshalb eine Reibungskraft voraussetzt. Zusätzlich zu den in DIN 50320 definierten vier Haupt-Verschleißmechanismen sind im Entwurf DIN 50323 Teil 2 alleine 20 Verschleißmechanismen definiert. Zusätzlich sind die Mechanismen zu berücksichtigen, die Reibenergie in Wärme, Schall, Elektrizität, Licht und andere Energieformen wandeln, ohne Verschleiß zu erzeugen. Weitere tribologische Mechanismen erzeugen weder Reibung noch Verschleiß, sind in einem Reibmodell aber trotzdem zu berücksichtigen. Die Entstehung von hydrostatischem Druck in Schmiertaschen ist dafür ein Beispiel. Dieser Mechanismus ist weder ein Reibungs- noch ein Verschleißmechanismus, da weder eine Reibungskraft (oder Reibungsenergie), noch Verschleiß erzeugt wird. Hydrostatischer Druck in Schmiertaschen beeinflußt die Reibung aber indirekt über andere Reibungsmechanismen. So kann er zu einer verringerten realen Kontaktfläche und damit zu einem geringeren Reibungsanteil durch Furchung führen. Ein vollständiges Reibmodell muß deshalb neben den Reibungs- und Verschleißmechanismen zusätzliche tribologische Mechanismen wie beispielsweise hydrostatische Effekte berücksichtigen.
Starke Nichtlinearität kann die Zusammenhänge zwischen diesen tribologischen Mechanismen zusätzlich beeinflussen [179], wenn im einen Fall die Topografie gerade noch einen wirksamen Schmierfilm aufrecht erhalten kann und im anderen Fall eine leicht geänderte Topografie zum Zusammenbruch des Schmierfilms führt.
Ein vollständiges Reibmodell müßte alle Mechanismen und deren nichtlineare Wechselwirkungen berücksichtigen. Dies ist zur Zeit nicht möglich, weshalb vereinfachende Annahmen getroffen werden müssen.
Das mechanisch rheologische Modell nach Sobis [180, 181] beinhaltet für das Ziel dieser Arbeit zu starke Vereinfachungen: Im folgenden wird ein erweitertes Modell entwickelt. Es ist aufgrund seiner Komplexität nicht für die Berechnung der Reibung gedacht (beispielsweise in der FE-Simulation), soll aber die Modellvorstellungen über tribologische Mechanismen veranschaulichen.
Die Gesamtreibungskraft setzt sich aus verschiedenen in der Literatur beschriebenen Anteilen zusammen:

 FR=Ff +Fg+Ffu+Fdf+Fds+Fdmf+Fdms Gleichung 1

Ausgehend von diesem Ansatz ist die Frage zu stellen, welche der Anteile durch die Topografie beeinflußt werden. Fest- und Grenzreibungs- sowie Furchungsanteil hängen in erster Linie von der Größe der wahren Kontaktfläche ab [182]. Die Größe der wahren Kontaktfläche wird von der Topografie aber in begrenztem Ausmaß beeinflußt [182, 98, 183], weshalb sich die Topografie des Bleches auf die Anteile von Fest- und Grenzreibung sowie Furchung nur wenig auswirkt.
Alle hydrodynamischen Effekte und damit deren Reibungsanteile werden von der Topografie beeinflußt. Die Scherspannungen im Schmierstoff sind aber im allgemeinen so gering, daß diese Anteile vernachlässigt werden.
Daraus ist zu schließen, daß die Topografie kaum einen direkten Einfluß auf die Reibung ausübt. Der in Kapitel 4 festgestellte große Einfluß der Topografie ist deshalb nicht direkt durch Reibungsmechanismen, sondern nur durch indirekt auf die Reibung wirkende tribologische Mechanismen zu erklären.
Die Topografie wirkt indirekt, da sie die Größe des Anteils der Normalkraft bestimmt, der durch hydrostatische und hydrodynamische Effekte getragen wird. Je größer dieser Anteil ist, desto weniger glättet die Topografie ein und desto geringer ist die wahre Kontaktfläche. Je geringer die wahre Kontaktfläche ist, desto niedriger sind Festkörperreibung, Grenzreibung und Furchung.
Zur Beurteilung des Einflusses der Topografie müssen deshalb besonders die tribologischen Mechanismen betrachtet werden, die durch hydrostatische und hydrodynamische Effekte Anteile der Normalkraft tragen und zu einer Verringerung der wahren Kontaktfläche beitragen.
Die Normalkraft setzt sich zusammen aus:

 FN=FNf+FNg+FNs+FNdf+FNds+FNq+FNsm+FNdmf+FNdms+FNqm Gleichung 2
 

Alle Anteile sind in der Literatur zumindest ansatzweise bereits beschrieben. Im folgenden wird untersucht, unter welchen Bedingungen diese Effekte zu  nennenswerten Anteilen beitragen können und welche Eigenschaften die Topografie aufweisen sollte, um diese Effekte zu unterstützen. Da zur Beschreibung der Eigenschaften von Topografien in der Literatur für gleiche Eigenschaften unterschiedliche Begriffe und oft sogar gleiche Begriffe für unterschiedliche Eigenschaften verwendet werden, wurde im Rahmen dieser Arbeit eine eindeutige Nomenklatur vorgeschlagen und mit verschiedenen Projektpartnern aus Forschung und Industrie abgestimmt. Diese Begriffe sind im folgenden Kapitel als Grundlage für die Diskussion der tribologischen Mechanismen beschrieben.

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