Die Möglichkeiten zur Berechnung von Oberflächenkenngrößen
lassen sich in 7 Gruppen unterteilen (Bild 10).
Bild 10: Klassifizierung der Oberflächenkenngrößen
Spalte 1: Aus einem senkrechten Schnitt (2D-Tastschnitt)
werden direkt Oberflächenkenngrößen berechnet. Die Kenngrößen
Ra, Ry, Rz und PC sind Beispiele für
diese Gruppe. Der senkrechte Schnitt kann entweder direkt gemessen oder
aus einer 3D-Messung berechnet werden.
Spalte 2: Aus dem senkrechten Schnitt werden neue Kurven
wie die Materialanteilkurve oder die Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion
berechnet. Sie beinhalten zusätzliche Informationen, die nicht direkt
anhand des gemessenen Profils abzulesen sind. Um diese Informationen zu
quantifizieren, müssen die abgeleiteten Kurven mit Kenngrößen
beschrieben werden. Entsprechende Kenngrößen zur Beschreibung
der Materialanteilkurve, häufig auch als funktionsrelevante Kenngrößen
bezeichnet, sind in DIN ISO 13565-2 definiert. Der senkrechte Schnitt kann
wie in Spalte 1 entweder direkt gemessen oder aus einer 3D-Messung berechnet
werden.
Spalte 3: Die aus der 2D-Meßtechnik bekannten Methoden
zur Berechnung von Oberflächenkenngrößen kann man auf 3D-Messungen
übertragen. Zur Bezeichnung dieser Kenngrößen verwendet
man üblicherweise anstelle des Buchstabens R (roughnes) ein S (surface)
mit den entsprechenden Indizes [168]. Beispiele sind die Kenngrößen
Sa, St und Sz. Die Schnitte werden nicht
einzeln ausgewertet und gemittelt, sondern man berechnet die Kenngrößen
an der gesamten Meßfläche. Bei korrekter Filterung stellt diese
Methode sicher, daß die Schnitte nicht nur einzeln, sondern auch
relativ zu benachbarten Schnitten korrekt ausgerichtet sind.
Spalte 4: Aus 3D-Messungen können die gleichen Kurven
wie in Spalte 2 berechnet werden. Beispiele sind die Kenngrößen
Sk, Spk und Svk. Wie bei den Kenngrößen
in Spalte 3 führt die 3D-Messung dazu, daß die einzelnen Tastschnitte
korrekt zueinander ausgerichtet sind. Inwieweit diese Kenngrößen
Eigenschaften von Blechoberflächen beschreiben, die mit den 2D-Kenngrößen
aus den Spalten 1 und 2 nicht beurteilbar sind, ist unbekannt und wird
im Rahmen dieser Arbeit untersucht (Kapitel 8.1).
Spalte 5: An der dreidimensional vermessenen Fläche
lassen sich Informationen auswerten, die in einfachen Schnitten nicht enthalten
sind. Eine Spitze in einem vertikalen Schnitt kann zufällig eine Spitze
der vermessenen Fläche sein, im allgemeinen handelt es sich jedoch
um einen Grat, der in der nicht vermessenen Raumrichtung weiter ansteigt
oder abfällt. Ob es sich tatsächlich um eine Spitze handelt,
kann man nur durch 3D-Messungen beurteilen [142, 168]. Entsprechende echte
3D-Kenngrößen sind in [168] und [175] beschrieben.
Spalte 6: Anhand von 3D-Messungen können, neben
den von 2D-Kenngrößen bekannten, zusätzliche Kurven berechnet
werden. Der Anteil der abgeschlossenen Leerflächen, in denen sich
wie in Kapitel 2.3 beschrieben hydrostatischer Druck aufbaut, läßt
sich als Funktion der Durchdringung angeben [176-, 177, 178]. Weitere aus
3D-Messungen berechnete Kurven beschreiben die Anzahl der Spitzen und Täler
als Funktion der Durchdringung oder das angular power spectrum als Funktion
der Richtung [168]
Spalte 7: Methoden wie Fourier-Analyse, Auto- und Kreuzkorrelationsanalyse
nutzt man dazu, aus einer 3D-Messung eine neue Fläche zu berechnen.
Sie beinhalten unter anderem Informationen über periodische Anteile
der Oberfläche. Es ist jedoch wenig darüber bekannt, wie aus
diesen Flächen für die Blechumformung geeignete Kenngrößen
abgeleitet werden können [174, 159].
Folgerungen
Echte 3D-Kenngrößen (Spalten 5 bis 7) bieten die Möglichkeit,
Eigenschaften von Blechoberflächen zu beschreiben, die von 2D-Kenngrößen
nicht erfaßt werden.
Eine 2D-Messung kann eine Blechoberfläche nicht eindeutig beschreiben,
da mit ihr die Abgeschlossenheit sowie die Art und Anzahl der Spitzen nicht
erfaßt sind. Der Wunsch nach funktionsorientierten Kenngrößen
ist mit 2D-Kenngrößen zu erfüllen, wenn die nur von 3D-Oberflächenkenngrößen
beschriebenen Merkmale keine nennenswerte Bedeutung für die Funktion
der Topografie aufweisen. Ob diese Merkmale für das tribologische
Verhalten relevant sind, wird unterschiedlich beurteilt.
Da schon für 2D-Messungen eine kaum überschaubare Anzahl
von Kenngrößen existiert und aus 3D-Messungen noch wesentlich
mehr Kenngrößen abgeleitet werden können, ist im Fall von
3D-Kenngrößen die an der Funktion und den tribologischen Mechanismen
orientierte Auswahl unabdingbar. Da über die wesentlichen tribologischen
Mechanismen noch Unklarheit besteht, können die Auswahl und die funktionsorientierte
Entwicklung neuer Kenngrößen beim jetzigen Stand der Forschung
nur eingeschränkt erfolgen.