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2.1 Dressierverfahren

Seit den letzten Veröffentlichungen, in denen die Texturierungsmethoden vergleichend gegenübergestellt wurden, sind einige Neuerungen hinzugekommen, weshalb die aktuell zur Verfügung stehenden Verfahren im folgenden beschrieben werden. Die Daten stammen aus verschiedenen Veröffentlichungen [10-23, 80] und Gesprächen mit Anwendern von Texturierungsanlagen. Die Ergebnisse sind in Tabelle 1 zusammengefaßt.

Tabelle 1: Gegenüberstellung der aktuellen Dressierverfahren

Nach dem Kaltwalzen werden die Bleche geglüht, um für das Tiefziehen die volle Umformbarkeit wiederherzustellen. Damit die einzelnen Lagen der Coils beim Glühen nicht verkleben, kann das letzte Walzenpaar der Kaltwalzstraße aufgerauht werden. Während des Walzvorgangs wird die Rauheit der Walzen auf das Blech aufgeprägt. Nach dem Glühen weist das Blech eine ausgeprägte Streckgrenze auf, was bei der Umformung zu Fließfiguren führen kann. Durch das Nachwalzen des Bleches im Dressiergerüst können diese Effekte vermieden werden. Gleichzeitig wird das Nachwalzen dazu genutzt, die endgültige Oberflächenrauheit herzustellen. Die Struktur der Dressierwalzen ist der durch das Kaltwalzen aufgebrachten Struktur überlagert.
Zum Aufrauhen der Walzen stehen zur Zeit 5 Verfahren zur Verfügung. Das Schleifen wird noch für Aluminium verwendet, es soll aber zunehmend durch andere Verfahren ersetzt werden.
Beim Shot Blast Texturing (SBT) wird ein kantiges Strahlmittel von einem Schleuderrad auf die Walze beschleunigt. Beim Auftreffen auf die Walze deformieren die Strahlkörner die Walzenoberfläche plastisch und schlagen Partikel heraus. Die Rauheit der Walze kann durch die Geschwindigkeit des Schleuderrads, das Strahlmittel, Walzenhärte, Strahlmitteldurchsatz und Bearbeitungsdauer variiert werden.
Beim Electrical Discharge Texturing (EDT) werden Elektroden radial an die rotierende Walzenoberfläche herangefahren und in axialer Richtung oszilliert. Durch den Erodierimpuls formieren sich die Partikel im Dielektrikum zwischen Walze und Elektrode zu einer Dipolbrücke, und es fließt Strom. Ein kleiner Bereich der Walzenoberfläche wird aufgeschmolzen, und im Dielektrikum bildet sich eine Gasblase. Bei Ausschalten des Erodierimpulses implodiert die Gasblase und der geschmolzene Walzenwerkstoff  wird herausgeschleudert. Die Rauheit kann unabhängig von der Walzenhärte über Parameter wie Spannung, Steuerzeiten und Abstand der Elektroden variiert werden. Im Vergleich zu  SBT lassen sich mit EDT höhere Spitzenzahlen und geringere Rauheiten mit höherer Reproduzierbarkeit herstellen.
Beim Laser Texturing (LT) wird ein Laserstrahl auf  die Walze fokussiert und schmilzt einen kleinen Bereich der Oberfläche auf. Ein Chopperrad unterbricht den Strahl und die Schmelze wird durch den Druck des Plasmas und ein Inertgas ausgeblasen. Dabei sammelt sich die Schmelze entweder zu einem Wulst um den Kraterrand oder wird an einer Seite des Kraters angehäuft und erstarrt dort. Die Walze rotiert und wird langsam in axialer Richtung vorgeschoben. Zur Einstellung der Rauheit werden Laserleistung, Vorschub, Walzen- und Chopperdrehzahl sowie das Inertgas genutzt.
Das Electron Beam Texturing (EBT) verwendet zum Aufschmelzen des Walzenwerkstoffs einen Elektronenstrahl. Ein Teil des aufgeschmolzenen Volumens verdampft, so daß der Dampfdruck die Schmelze zu einem Ring um den Krater anhäuft. Die Walze wird in einer Vakuumkammer rotiert und axial verschoben. Es ist möglich, die Drehung der Walze und die Schußfrequenz so zu synchronisieren, daß die Krater in allen Richtungen regelmäßig angeordnet sind. Wie auch beim Laser Texturing lassen sich die Krater so weit überlappend anordnen, daß die regelmäßige Struktur nicht mehr zu erkennen ist. Diese Oberflächen werden pseudostochastisch genannt.
Die neueste und noch am wenigsten bekannte Textur ist Pretex. Sie wurde in Zusammenarbeit der Preussag Stahl AG, der Winterthurer Metallveredelung AG und des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung entwickelt. Zur Herstellung der mit Pretex bezeichneten Blechtopografie wird die Walze mit dem Topochrom-Verfahren elektrolytisch hartverchromt. Dazu wird die Walze in einem Reaktor mit einem Chromelektrolyten umgeben. Die Steuerung der Spannung zwischen dem Anodenkäfig und der als Kathode geschalteten Walze führt dazu, daß auf der Walze kugelabschnittförmige Strukturelemente abgeschieden werden.
Die Angabe der Herstellungsmethode einer Blechoberfläche reicht für eine funktionsgerechte Beschreibung nicht aus. Um die Oberfläche eindeutig zu beschreiben, müssen zu jedem Herstellungsverfahren andere Prozeßparameter angegeben werden. Ein direkter Vergleich der Dressierverfahren ist nur schwer möglich. In Tabelle 1 wird dennoch versucht, die wichtigsten Merkmale der Verfahren gegenüberzustellen.
Der Vergleich der Lackierbarkeit wurde in diese Tabelle nicht mit aufgenommen, da noch keine gesicherten Ergebnisse über den Einfluß der Dressierverfahren vorliegen. Es ist davon auszugehen, daß für das Lackierergebnis vor allem längerwellige Anteile der Topografie relevant sind, die weniger vom Dressierverfahren als von der Vorbehandlung der Walzen und vom Walzprozeß abhängen.
Ebenso wurde ein Vergleich der Standzeiten nicht vorgenommen. Bei SBT ist die Härte der Walzen begrenzt, weshalb sie im allgemeinen schneller verschleißen. Mit den übrigen Verfahren lassen sich härtere und damit verschleißfestere Walzen bearbeiten. Dieser Vorteil ist aber nicht voll nutzbar, wenn Topografien mit höheren Spitzenzahlen hergestellt werden, da die feineren Spitzen schneller verschleißen. Spröde Ränder von mit Laser Texturing hergestellten Kratern verschleißen bereits während des Dressierens der ersten Coils. Nach dieser Einlaufphase kann die Oberflächenqualität über einen längeren Zeitraum konstant bleiben. Zur Erhöhung der Standzeiten ist es möglich, die Walzen nach dem Dressieren zu verchromen. Die Topochrom-Schicht zur Herstellung von Pretex ist bereits eine Chrom-Schicht. Gegenüber nicht verchromten SBT-Walzen wird trotz höherer Spitzenzahlen bei Pretex von über 10-fach höheren Standzeiten berichtet [11].
 

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